An der Metzgertheke werde ich per Aushang informiert, dass man dort aus hygienischen Gründen auf den Gebrauch von Latexhandschuhen verzichtet, da sie die Verbreitung von Erregern eher förderten als vermieden. Die Fleischereifachverkäuferinnen hier tragen alle Latexhandschuhe.
Der Hinweis hängt dort schon lange, auch schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie mit all ihren Hygienevorschriften. Hin und wieder denke ich daran, auf diese Logiklücke hinzuweisen, sehe dann aber davon ab, denn ich bin eigentlich nicht so der Nörgeltyp, auch wenn das meine Arbeit als Lektor manchmal so mit sich bringt.
Während ich noch zwischen Schwarzwälder Schinken und Münsterspeck schwanke, fragt die Verkäuferin, ob ich ein Scheibchen Fleischwurst mag – nicht ohne mich dabei auf diese spezielle, rheinländische Art mit junger Mann anzusprechen.
„Ich bin über fünfzig und mir gehen die Haare aus“, nörgele ich, „aber trotzdem gerne!“
Mir wird an der Metzgertheke eigentlich seit vielen Jahrzehnten kein Scheibchen Wurst mehr angeboten, aber nie haben sie dort aufgehört, junger Mann zu mir zu sagen.
„Sie sind ja auch gar nicht gemeint“, sagt die Verkäuferin gewohnt schnippisch und beugt sich weit über die Theke zu meinem Begleiter hinunter. Das Murmeltier zieht seine Atemschutzmaske etwas nach unten, zeigt lächelnd seine gelben Nagezähne und streckt sich weit der Scheibe Lyoner entgegen.
„Wie sagt man?“, frage ich verstimmt.
„Guten Tag auch die Dame!“, sagt es höflich und als ich es mit strengem Blick zu weiteren Äußerungen auffordere: „Und Danke auch recht schön!“
Ich habe dann weder Münsteraner noch Schwarzwälder Schinken gekauft, der garantiert in seinem ganzen Leben weder in Münster noch im Schwarzwald war, dafür aber einen Ring Fleischwurst nur für mich, und bin grußlos gegangen. Auch Hefe habe ich wieder keine gekauft, denn sie ist weiterhin nicht vorrätig. Vermutlich hat sich der Hefeproduzent nach dem Boom mit einem Millionengewinn zur Ruhe gesetzt und muss nie mehr arbeiten. Jetzt sitzt er mit dem Klopapierhersteller, der auch ausgesorgt hat, irgendwo am Strand und beide werden nicht müde, tagein tagaus ihre Dukaten zu zählen.
Vor der Ladentür hält mir das Murmeltier seine etwas zerknautschte und angeschwitzte Scheibe Wurst hin.
„Magst du?“, fragt es kumpelhaft. „Ich esse so was nicht.“
Ich nehme die Wurst, ohne Danke zu sagen, und schlinge sie gierig hinunter. Denn ich esse so was.