Ich habe mir schon immer regelmäßig die Hände gewaschen, das ist mir ein persönliches Bedürfnis. Wenn auch zugegebenermaßen nicht 30 Sekunden. Ich habe es versucht – es ist mir einfach zu lang.
Zumal ich mich dann in dem Dilemma wiederfinde, nicht so viel Wasser verbrauchen zu wollen. Man könnte für die 20 Sekunden zwischendrin den Hahn zudrehen, dann muss man aber mit seifigen Händen wieder an die Armatur und ihn aufdrehen. Dann ist aber der Wasserhahn seifig und das ist nicht angenehm. Also laufen lassen. Und zweimal dieses Lied singen, Happy Birthday. Ich schaffe das allerdings problemlos in zehn Sekunden, und das muss dann auch mal reichen.
Außerdem tatsche ich draußen auch nicht ständig alles an. Ich muss nicht unentwegt Dinge anfassen, die mir nicht gehören. Und wenn doch, dann nehme ich den Handrücken. Wenn ich an der Ampel stehe, dann drücke ich diesen Taster mit dem Handrücken, in der Illusion, ich könnte so günstigen Einfluss nehmen auf das Verkehrsgeschehen. Kontrollillusion nennt man das. Und obwohl ich viele dieser Taster im Verdacht habe, in keiner Weise mit der Ampel oder sonst einem System in intelligentem Kontakt zu stehen, drücke ich sie trotzdem immer wieder. Jetzt aber halt ausschließlich mit dem Handrücken. Auch Türklinken, nur mit dem Handrücken drücken. Wenn ich dann ziehen muss, wird es kompliziert, aber es geht. Dann klemme ich den Ellbogen hinter die Klinke, muss dafür zwar sehr nah an die Tür herantreten, sodass mir beim Öffnen die Füße im Weg sind – aber hat man das nicht oft genug so gemacht, wenn man mit vollen Händen vor einer aufzuziehenden Tür stand und kein Mensch helfen wollte?
Was immer ich im öffentlichen Raum berühre: Sofern es sich nicht vermeiden lässt, berühre ich es mit dem Handrücken. Und ich gehe auch nicht unbedacht mit den Händen ins Gesicht. Wenn mich der Heuschnupfen in den Augenwinkeln plagt, wenn es mich an der Nase juckt, dann lange ich nicht einfach mit den Fingern hin und kratze und reibe – nein, dann fahre ich da höchstens mal mit dem Handrücken drüber.
Und das ist dann der Moment, in dem mich das Murmeltier ansieht, fragend die Brauen hochzieht und mit seinem unnachahmlichen Charme sagt: „Du bist ja schon ein bisschen doof, du.“
Dann gehe ich beleidigt weg und wasche mir eine halbe Stunde lang die Hände.