Vermutlich werden auch bei den Behörden langsam die Rollen knapp, zumindest die mit dem Absperrband, dieses rotweiß gestreifte Flitter-Flatter-Plastikzeug, das jetzt überall den öffentlichen Raum in zugänglich und nichtzugänglich einteilt.
Mir war bis letzte Woche nicht bewusst, wie viele Spielplätze es in meiner Stadt gibt. Und von manchem kleinen Areal mit Gerätschaften dieser oder jener Art hätte man auch nicht unbedingt gedacht, dass es sich um einen Spielplatz handelt.
Seit Tagen hört das Wetter nicht auf, ein März ist das!
Rheinaue, Bonner Bogen, Siegaue, alles voll mit freizeit- und familientrunkenen Menschen – überdeutlich mehr als an anderen, auch wärmeren sonnigen Frühjahrssamstagen –, die das augenscheinlich aufrichtig genießen. In normalen Zeiten (in Friedenszeiten wollte ich erst sagen, habe mich dann aber korrigiert, nicht ganz sicher, ob es nicht doch der bessere Ausdruck wäre) sieht man die Familien oft weniger entspannt und ja: familienaffin. Heute ist das ein Picknicken, ein erstes, den Temperaturen letztlich doch noch nicht ganz angemessenes Sonnenbaden, ein verwegenes Joggen im Top (oder war das doch schon ein Bikini-Oberteil?), ein Radeln, teils noch ungelenk und knarrig, weil Rad und Reiter etwas eingerostet sind. Die Inliner aus der hintersten Kellerecke gekramt und raus in Sonne und Familie – und in der fantastischen Luft die Bilder und Zahlen aus den Nachrichten einen Nachmittag lang wegatmen. Das ist erlaubt.
Oder wie Juliane es eher wahrnimmt: Sind alle auf der Flucht, vor der Enge der eigenen vier Wände, vor den langen Tagen mit der Familie in zu engen Wohnungen, wenn nach vier Stunden Mensch-ärgere-dich-nicht am Vormittag immer noch erst halbe zehn morgens ist, auf der Flucht vor dem erwarteten Koller, vor den Menschen, mit denen man in direkter Linie verwandt, aber zu wenig bekannt ist. Auf der Flucht vor häuslichem Unfrieden und Depression. Oder sind das einfach verschiedene Leute?
Zwei unterschiedliche Blicke auf die gleiche Szenerie. Und es gibt sicher noch weitere. Spätestens dann, wenn die Szenerie zurückblickt – auf mich.
(Bevor mich jetzt jemand Belesenes erwischt: „Seit Tagen hört das Wetter nicht auf …“ – das ist geklaut, Jurek Becker, „Bronsteins Kinder“. Ich liebe diesen Satz. Das Buch beginnt im Übrigen auch mit einem meiner Lieblingsromananfänge: „Vor einem Jahr kam mein Vater auf die denkbar schwerste Weise zu Schaden, er starb.“ Und stellen Sie sich diesen Satz bitte vom Autor völlig betonungslos vorgetragen vor. Das vergisst man nicht.)
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.