Die Menschen beginnen, lose, dünne Hoffnungen zu einem brauchbaren Seil zu flechten für nach dem Lockdown – was für ein Wort im Übrigen: Lockdown. Kannte vor einem halben Jahr, also vor Mitte März, noch kein Mensch, weil es das Wort noch gar nicht gab. Klingt nach Regieanweisung, Action-Kino, James-Bond-Genre: „Wir müssen vor dem Lockdown noch etwas mehr Spannung aufbauen.“ So ähnlich.
Die Politik wagt sich mit vorsichtigen Andeutungen vor – sehr vorsichtig. Da ist von einem Silberstreif am Horizont die Rede. Alle sagen, dass man jetzt geduldig sein müsse, dass noch lange nicht usw., man könne aber bald darüber nachzudenken beginnen. Langsame Rückkehr zur Normalität wird dann vage in Aussicht gestellt, insbesondere unser Landesvater wagt sich da weit aus dem Fenster. Zu weit, wie viele finden. Aber was heißt das schon, zurück? Vermutlich werden dann erst mal ein paar Gigatonnen Mehl auf dem Müll landen, Lebensmittel in ungeahnten Mengen werden weggeworfen werden, wenn die Leute ihre Depots räumen, weil sie letztlich doch nicht wissen, was man mit Mehl eigentlich so macht. Viele, die noch nie gebacken, höchstens mal eine Backmischung zusammengerührt und in Muffins-Förmchen gespachtelt haben, werden feststellen, dass Hefe nicht sehr lange haltbar ist, dass sie eine längere Unterbrechung der Kühlkette nicht verzeiht und dann sehr schnell sehr unangenehm riecht. Und dann kann man nicht mal mehr Bier draus machen. Muss es also weiter im Laden kaufen, so wie ich.
Das Murmeltier sagt dann immer, ich soll wieder Bügelflaschen nehmen. Die kriege es besser auf. Es hat ja keinen Schimmer, wie wahnsinnig klar mir ist, welche Flaschen ich garantiert und auf gar keinen Fall mehr kaufen werde.
Ich weiß auch nicht, warum es das tut, aber das Murmeltier hat plötzlich Gefallen daran gefunden, ständig irgendein Zeug vor sich hin zu nuscheln. Man versteht das kaum, merkt nur, dass es Unmut ist, der da geäußert wird, vermutlich wegen meiern Flaschenauswahl.
„Hör auf, so zu nuscheln“, sage ich dann, obwohl es mich nicht die Bohne interessiert, was das Tier zu sagen hat oder zu sagen zu haben meint. Seine Meinung ist definitiv nicht gefragt. Aber damit stehe ich offensichtlich ziemlich alleine da.
„Ich nuschle nicht“, nuschelt es dann. „Ich murmle!“ – Na super. Jetzt fängt es auch noch mit Wortwitzen an.
„Können wir es nicht einfach dabei belassen, dass du einmal am Tag nett grüßt?“
Wann aber hat der Lockdown begonnen? Zweite Märzhälfte? Dann wird wohl – und das ist der eigentliche Lichtblick, der Gold- und Silberstreifen am Horizont dieses eigenartigen Jahres – zu Weihnachten nicht nur das Christkind kommen.