Gestern am Kino vorbeigekommen. Verlassen duckt es sich zwischen die Schmuckbauten an diesem sauber geschrubbten Rathausplatz gleich neben dem – genau: Rathaus.
So alt und aus der Zeit gefallen ist es, dass sogar noch Lichtspiele in dieser wirtschaftswunderlich geschwungenen Schrift aus Neonzeiten über dem Eingang an der Hauswand steht. Als es vor ein paar Jahren, also etwa Mitte März, noch lichtspielte, war das gar nicht so aufgefallen – obwohl es da auch schon bemerkenswert old fashioned war: ein Kino, das sich diese 1a-Premiumlage am Markt leisten konnte – wo gibt es denn sowas noch? Wer weiß, wie lange sich das noch hält. Netflix und Amazon hat es eine Weile überstanden, aber Corona? In ein paar Monaten wird da vielleicht irgendein chinesischer Player seinen Shop für Atemschutzmasken und Desinfektionsbedarf aufmachen und die Lichtspiele verschwinden ins Dunkle, in Form eines Autokinos an den Stadtrand oder ganz. Sollten sie sich überlegen: Es könnte die Zeit sein für ein Comeback der Autokinos.
Ein Spaßvogel hat Beethoven einen Mundschutz umgebunden – nicht dem großen Ludwig, der in Kaiser-Wilhelm-Größe auf dem Bonner Marktplatz steht, ein ödes Allerweltsdenkmal, das nichtsdestotrotz von Touristen heerscharenweise fotografiert und für Selfies überlebensgroß in den Hintergrund gerückt wird. Jetzt, mit der Kontaktsperre, machen alle nur noch Selfies. Nein, einem der über siebenhundert etwas mehr als murmeltiergroßen Beethovens, die jeder Bonner Einzelhändler im Beethovenjahr im Schaufenster stehen hat, im letzten Herbst nach einer Kunstaktion bei einer Kunstauktion erworben, in Gartengrün oder Giftgold. Da steht er, der in Bonn allgegenwärtige, gottgleiche Ludwig: coole Frisur, coole Haltung, cooler Blick, die Hand cool in der Hosentasche versenkt. Und völlig uncooler Mundschutz.
Wieder zurück beim Kino sehe ich meinen Nachbarn von oben, steht nur wenige Meter neben dem Beethoven mit Mundschutz, ein etwas unrasierter Mittdreißiger, alleine mit seinem Känguru und hängenden Schultern vor den Aushängen, die den Start eines neuen Filmes über einen etwas unrasierten Mittdreißiger und sein Känguru plakatieren. Mitte März.
„Das ist nicht mein Känguru!“, sagt der Mittdreißiger. „Das hat sich einfach bei mir einquartiert. Ungefragt. Los“, fügt er zum Känguru gewandt an, „sag wenigstens Guten Tag.“ Das Känguru sagt nicht Guten Tag, was das Murmeltier völlig unmöglich findet.
„Ah ja“, sage ich gedehnt, „kenne ich.“
„Du kennst das Känguru?“
„Nein – das mit dem Einquartieren meine ich, das kenne ich.“