Unterwegs auf Bonns bestem Fahrradweg, unten am Rhein, Erzbergerufer. Hier ist der Radweg neu gemacht, er glänzt schwarz wie Lakritz, und üppige drei Meter breit. Genau genommen ist das schon Niederrhein. Das hübsche Mittelrheintal, immerhin UNESCO-Welterbe, endet quasi an der Kennedybrücke, nördlich davon kommt Niederrhein.
Da war die UNESCO noch nicht. Muss man auch nicht unbedingt hin. Und die Straße neben diesem blitzblank asphaltierten neuen Radweg ist – genau: eine Fahrradstraße. So macht die Bundesstadt Bonn sich fit für ihre neue Rolle als Fahrradhauptstadt, zumindest auf diesen zweihundert Metern. Weitere sollen folgen. Wenn das Dach über Gleis 1 am Bahnhof irgendwann mal fertig ist. Vorher wird Münster ein Skiparadies.
Das Murmeltier ist total verunsichert und hat eine Stinklaune.
„Wo soll ich denn jetzt fahren – Radweg oder Fahrradstraße!?“, ruft es übertrieben ratlos, bleibt stehen, schmeißt sein Kinderfahrrad hin und setzt sich auf den Bordstein.
„Das ist ganz normal“, sage ich, von einer versöhnlichen Stimmung gepackt. „In Bonn weiß man meistens nicht, wo man fahren soll. Das heißt Verkehrskonzept. Und jetzt lass uns schnell weiterfahren, bevor da vorne wieder die Fahrtrichtung der Einbahnstraße umgedreht wird.“
Aber so schnell lässt sich das Murmeltier nicht aus seiner lausigen Laune locken. Das hat letztlich auch damit zu tun, dass es seine 21 Gänge nicht bekommen hat, weil ich auf einer einfachen 3-Gang-Schaltung bestand. „Du bist zu klein für 21 Gänge“, hatte ich beim Fahrradhändler gesagt. „Aber ich bin ein Großnager“, hatte es trotzig geantwortet. „Drei Gänge oder keiner“, war meine Antwort, „und nein, du bekommst kein Single Speed.“
„Das ist gemein!“, hatte es schließlich genörgelt, „hundsgemein!“, und dass das ein Oma-Rad sei. Hundsgemein fand ich irgendwie unpassend und sagte das auch. Aber das Murmeltier hatte heute keinen Sinn für Wortspiele.
„Das ist einfach nicht gerecht! Ihr seid alle so wahnsinnig privilegiert, ihr ... Männer.“
„Du kannst ruhig ihr alten, weißen Männer sagen“, sage ich, weil ich das in der letzten Zeit häufiger so höre. Nur die Metzgerthekerin, die sagt natürlich weiterhin junger Mann. Besser als junger weißer Mann.
„Ihr alten, weißen Männer!“, sagt das Murmeltier.
„Na und? Das ist halt einfach so. Kann ich doch nichts für“, ich bin nun meinerseits etwas beleidigt. „Herrgott, ich habe es mir doch auch nicht ausgesucht!“, füge ich hinzu.
„Nein. Aber wenn du es dir hättest aussuchen können“, sagt das Murmeltier in fehlerfreier Grammatik und astreiner Syntax, „dann hättest du es dir ausgesucht.“