Auf meiner Werkbank liegen gelegentlich auch Kochrezepte, die ich nicht nach Kochbarkeit und Erfolgsaussichten untersuche, sondern nur auf Rechtschreibung prüfe. Dass ich mir das Zuzubereitende dabei vor Augen führe, hin und wieder auch eine Idee tatsächlich in der eigenen Küche ausprobiere, gehört dazu. Ich hoffe, das fällt nicht unter das Vertraulichkeitsgebot, das mir meine Kunden gelegentlich auferlegen.
Hin und wieder sitzt dann das Murmeltier neben meinem Bildschirm und spielt mit der Maus, von der es lange nicht begriffen hat, dass es sich dabei nicht um einen nacktschwänzigen Kleinnager, sondern um schnurlose Elektronik handelt. Und es findet meine Arbeit wahnsinnig langweilig. Heute aber ist es, eben erst für eine kurze Wachphase aus dem Winterschlaf hoch getorkelt, in depressiver Aussichtslosigkeit zusammengesunken, als es mit müden, murmelgroßen Augen auf meinem Bildschirm sah. Dort las es wie nebenbei in einem Kochbuch, das mir zum Lektorat vorlag, man könne bei Mousse au Chocolat die Sahne, den Zucker und auch fast alles andere weglassen – bis auf die Schokolade.
Die erschütternde Aussicht, überhaupt irgendwo die Sahne wegzulassen, wurde durch die Option, stattdessen Wasser, wenn auch Mineralwasser, unterzuheben, auf unangenehme Weise getoppt. Zunächst hatte das Murmeltier angenommen, es handle sich auch bei der Mousse um eine Maus, und wollte schon wieder über die leidigen Kleinnager ablästern. Als ich ihm aber auseinanderlegte, es gehe in dem Rezept um eine französische Süßspeise mit Schokolade, Zucker, Sahne – nur in diesem Fall halt ohne Zucker und Sahne –, schien mein pelziger Mitbewohner in ergebnislosem Nachdenken zu versinken.
„Aber es ist doch besser mit Sahne, oder?“, fragt es.
„Alles ist besser mit Sahne“, antworte ich verzagt.
Lange Pause. Die Idee einer Mousse au Chocolat ohne Sahne, ohne Zucker, ohne Liebe schlägt uns beiden ein wenig aufs Gemüt.
„Ist noch Bier da?“, fragt das Murmeltier schließlich deprimiert und obwohl ich diese Frage sonst grundsätzlich verneine, unabhängig von meinen Lagerbeständen, tröste ich es nun nickend und rufe ihm noch hinterher, es möge mir auch eines mitbringen, es möge sich beeilen und es möge heute nicht zu sparsam sein.
Nun ist das Bier alle. Und jetzt? Jetzt will das Murmeltier nicht zurück ins Bett. Es will wachbleiben bis zum Frühjahr – aus Angst, es könnte von Mousse au Chocolat träumen. Von Mousse au Chocolat aus Schokolade und Wasser.