Bevor ich mich mit den römischen Ziffern jenseits der 50 verhebe, überschreibe ich meinen Bericht lieber neu und fange wieder bei römisch eins an. Man kann ja auch nicht jahrelang Zeilen aus der Krise verfassen – könnte man schon, aber man mag irgendwann nicht mehr. Ich finde Werkstatt mit Großnager ganz hübsch, und das Murmeltier findet das auch. Werkstatt ohne Kleinnager hätte es auch akzeptiert, aber ich finde, das klingt zu defizitorientiert.
Heute habe ich die Werkbank etwas freigeräumt, Tastatur und Duden beiseitegeschoben und mir endlich den Adventskranz vorgenommen, wie jedes Jahr Anfang Januar. Dazu löse ich den Blumendraht, mit dem das schüttere Tannengrün um einen Strohkranz gebunden ist. Das ist etwas mühsam, weil die Floristinnen und Floristen nicht gegeizt und rund sieben Meter Draht um den kleinen Kranz gewickelt haben – bestimmt 50 Mal muss ich den Draht dabei durch das Innere des Kranzes ziehen. Aber wie soll ich ihn sonst wegwerfen? In welche Tonne?
Das Murmeltier sieht mir in einer Mischung aus großzügigem Interesse und besorgter Langeweile zu.
„Was machst du da?“, fragt es schließlich, eindeutig eher besorgt als interessiert.
„Ich entsorge den Adventskranz.“
„Und den Draht …?“
„Den hebe ich auf.“
„Wofür zum Beispiel?“
„Zum Blumenbinden zum Beispiel.“
Das Murmeltier nickt verständig und hakt, als ich nicht ausführlicher werde, nach: „Wann hast du zum letzten Mal Blumen gebunden?“
Das ist eine Suggestivfrage, das merke ich sofort. Auf so was antworte ich gar nicht erst, sondern arbeite konzentriert weiter.
„Oder anders gefragt: Wie viel Draht brauchst du so im Jahr?“
Ich weiß schon, wo das hinführen soll, und murmele etwas wie wirdwohleinhalbermeterseinoderso.
„Und wie viel Draht hast du so zusammengekriegt, in den letzten Jahren?“ Die Frage ist randvoll gestopft mit Subtext, der Großnager will mir irgendwas sagen, als Letztes aber will er vermutlich wissen, wie viel Draht ich so zusammengekriegt habe in den letzten Jahren.
„Es wird für eine Weile reichen“, sage ich zunehmend verstimmt. Der grüne Plastikschal, mit dem der Strohkranz zudem umwickelt ist, kommt in die Gelbe, der Kranz selbst in die Biotonne.
„Da steckt noch ein Metallklämmerchen im Stroh …“. Das Murmeltier entfernt die Klammer mit seinen spitzen Klauen. Sehr hilfsbereit, das Tier. Und so aufgeweckt.
„Es wird genau für 32,5 Jahre reichen!!“, sagt es und zeigt mir das Taschenrechnerdisplay. „Das heißt – wenn du jetzt sofort mit dem Unsinn aufhörst.“
„Das hättest du auch im Kopf rechnen können“, kontere ich.
Zeilen zur Krise LIV: Everything is Better with Creme
Bericht aus der Werkstatt mit Großnager II: Gesundheit