Das Wochenende über bin ich nicht zum Zeitunglesen gekommen, aber am Montagmorgen hole ich das nach. Ein wenig auf der Flucht vor der verheerenden Nachrichtenlage springe ich aber nach ein paar deprimierenden Berichten direkt auf die Sportseiten.
Das ist auch nicht sonderlich beglückend, aber immerhin auf geradezu sedative Weise irrelevant. Auch das Murmeltier, auf dem Sofa friedlich neben mich gekuschelt, blättert auf Julianes Gerät durch den digitalen Blätterwald. Etwas angeberisch öffnet es einen nach dem anderen Artikel der New York Times, zieht hier und dort ein Foto größer oder die Augenbrauen hoch. Als ich mich in die EM-Auslosung vom Freitag klicke, schaut es mit verächtlichem Unterton auf meinen Bildschirm rüber – ja tatsächlich: Das Murmeltier kann wie kein Zweiter seinen Blick mit einem deutlich lesbaren Unterton schärfen.
Schottland, Ungarn und die Schweiz – die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Herren, so die Einschätzung der Berichterstattung, sieht sich im kommenden Sommer keiner unlösbaren Aufgabe gegenüber, zumindest in der Gruppenphase nicht. Derweil vertieft sich das Murmeltier in eine tiefgehende Analyse des Nahostkonflikts. Anders als ich beobachtet es den nicht bereits seit vierzig Jahren mit zunehmender Ratlosigkeit. Jetzt scrollt es mit mäßigem Interesse durch eine Schweizer Publikation, die sich gleichfalls mit der Auslosung der Gruppen für die kommende Fußball-Europameisterschaft befasst. Nach kurzem Überfliegen wechselt es jedoch gleich wieder zur New York Times und ihren anspruchsvollen Kommentaren. Auf Englisch! Der Großnager will mir offensichtlich signalisieren, dass er mich intellektuell zurückzulassen bereit und in der Lage ist. Wild entschlossen klicke ich zu einem Abonnementvertrag von Le Monde rüber und subskribiere für ein Jahr.
„Wie stehen denn die Schweizer zu der Gruppenauslosung für die EM?“, frage ich dann nebenbei, weil ich fürchte, dem Murmeltier bei einem Gespräch über die Weltpolitik nicht gewachsen zu sein und mich mit Wissenslücken zu blamieren.
„Naja“, fasst es seine Lektüre zusammen. „Schottland und Ungarn, das seien schon ernst zu nehmende Kaliber, da muss man sich schon ziemlich strecken, sagen die Schweizer“, sagt das Murmeltier und fügt nach einer kurzen Pause genüsslich hinzu: „Deutschland dagegen, das lasse doch auf ein Weiterkommen hoffen.“
Bericht aus der Werkstatt mit Großnager XVII: Frühstückseier
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