Zeitung gelesen, geweint. Wieder mit leichtem Schaudern den Wahlkampf in Amerika verfolgt. Ach, diese Wahlen, diese entsetzlichen Wahlen. Dieser Mensch, der seit acht Jahren schafft, was kein Thriller, kein Horrorstreifen und kein B-Movie kann:
Ein Gruseln wecken, das auch nach dreitausendmaligem Aufwachen nicht vergeht, nicht enden wollende Fassungslosigkeit und unerschütterliches Entsetzen. Ich lese von seinen Großspurigkeiten, seiner lächerlichen Angeberei – der dümmste Prahlhans auf dem Schulhof hätte nicht derart dreist aufgeschnitten. Und Angeberei, das war doch schon immer das Letzte. Wer sich beim Angeben erwischen ließ, der war durch auf dem Schulhof, der kriegte bei keinem der Mitschüler mehr ein Bein auf den Boden. Und bei den Mitschülerinnen schon mal gar nicht.
In jeder Klasse gab es so einen, immer der (niemals die) Größte, immer der Schnellste, immer der Beste. Mächtig aufschneiden, nur um geschnitten zu werden. An wen erinnert mich das nur? An Ludger aus der 4b, klar. Aber der war tatsächlich meistens der Stärkste und man ging ihm schon deshalb aus dem Weg. Aber da war noch einer, der war schlimmer – nein, das war keiner aus der Klasse, das war ein Buch, jetzt fällt es mit wieder ein: Karlsson! Karlsson vom Dach. Der Welt größter Karlsson – ein kleines, dickes, selbstsüchtiges Arschloch mit einem lächerlichen Propeller auf dem Rücken, der alles zu können, alles zu haben und alles zu wissen meint und dann doch nur alles in Schutt und Asche legt. Und lügt, dass sich die Balken biegen. Schon als Kind war mir diese Figur zutiefst unsympathisch und zuwider. Und unbegreiflich.
„Propeller auf dem Rücken?“, fragt das Murmeltier und zieht auf seine unnachahmliche Art eine Augenbraue hoch. „Was ist denn das für ein Unsinn?“
„Nun – etwa so unsinnig wie ein sprechendes Murmeltier“, sage ich.
„Sehr viel unsinniger, finde ich“, findet das Murmeltier.
„Naja“, sage ich, „Kinderbuch halt. Ist wohl eher so ein fantasierter Freund von einem kleinen, einsamen Jungen, dieser Karlsson.“
„Und warum“, überlegt es, „fantasiert der sich einen Fiesling mit Propeller?“
Prinzipiell wäre es natürlich eine verführerische Lösung, wenn dieser Kandidat nur in irgendjemandes Fantasie existierte, scheitert aber an der Realität. Zumindest ist es für einen Moment tröstlich, Donald Karlsson Trump als Wiedergänger einer Nervensäge aus einem Kinderbuch zu betrachten.