Jetzt haben sie auf einen Schlag alles zunichte gemacht, was an Hoffnung und Compliance, an gutem Willen und Durchhaltebereitschaft mühsam aufgebaut worden war: die Aussicht auf bessere Zeiten, auf Normalität (so unerträglich die vor ein paar Jahren, also etwa Mitte März, noch gewesen sein mochte), auf Rückkehr zu Kumpels und Konsum – alles dahin.
Wer bis jetzt noch Hoffnung hatte, der lässt sie fahren, wer jetzt noch Freude im Herzen und Durst in der Kehle spürt, der lässt den Kopf hängen und wird ihn nie wieder in den Nacken legen: Das! Oktoberfest! Ist! Abgesagt! (Das Murmeltier will hier unbedingt Fettdruck sehen, aber ich finde, Kurisv tut es auch.)
Ist eine trostlosere Wendung der Pandemie denkbar? Obwohl – im Schnitt fällt das seit dem allerersten Oktoberfest alle zehn Jahre aus, unsere von Katastrophen weitgehend unbehelligt gebliebene Generation hat das bloß nie bemerkt. Und in diesem Zusammenhang heißt unbehelligt natürlich, dass es diesen September kein Helles auf der Wiesn geben wird. Müssen wir halt weiterhin zumindest die lokalen Brauereien zu Hause oder paarweise in der Abendsonne in den Rheinauen unterstützen.
Ein Vorteil dabei: Das Murmeltier kommt nicht mit an den Rhein, weil es Schiss hat vor den Nutrias, die in den Rheinauen heimisch geworden sind und dort inzwischen in Großfamilien leben und die auch eher zu den Großnagern gehören. Woher die kommen? Man weiß es nicht genau, auf alle Fälle waren sie früher nicht da. Ähnlich also wie ihr verpennter Verwandter, der seit ein paar Wochen unter meinem Schreibtisch schläft, alles in Grund und Boden grüßt und mein Bier trinkt, wenn ich die bequemen Bügelflaschen kaufe.
„Woher kommst du eigentlich?“, habe ich es neulich gefragt, als wir es über die Nutrias hatten, weil ich mich wirklich nicht mehr erinnern konnte, wie das Unnutztier in mein geordnetes Leben eindringen konnte.
„Aus dem Eis natürlich“, hat es geantwortet.
„Aus dem Eis? Du?“, fragte ich ohne großes Interesse, aber doch neugierig zurück.
„Klar – noch nie gehört? Murmel aus dem Eis?“
Ich wollte schreien! Und ich schrie.
„No jokes with names!“, sagte ich. Leider ist das Tier zwar erstaunlich belesen, kann aber kein Wort Englisch. Daher guckte es nur etwas belämmert und fragte, ob ich ihm ein Flens dalassen könne, wenn ich zu den Monsternagern in die Rheinaue ginge.
Und ich solle sie auf gar keinen Fall grüßen.