Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Zunächst die gute: Es kehrt wieder so etwas wie Normalität ein. Und dann die schlechte: Es kehrt wieder so etwas wie Normalität ein. Wir gehen fast wieder in die Läden – nicht zum Shoppen, nein, so einladend ist das nun doch noch nicht.
Aber das Notwendigste kann man wieder überall besorgen und man muss nicht mehr improvisieren. Wir gehen wieder ins Café und tragen brav Namen, Adresse und Tischnummer in eine Liste ein, zur Nachverfolgung – ein grässliches Wort. Wenn ich jetzt meine Mütze liegen lasse, kann man sie mir nach Hause bringen. Ich lasse viel in Cafés liegen – aber heute natürlich nicht. Ist auch viel zu warm für Mütze. Dabei wäre es so praktisch gewesen.
Und zum Optiker musste ich dringend. Nicht gerne. Mein Optiker trägt seine Atemschutzmaske als Modell Bartbinde, obwohl er immer auf diese Altherrenart glattrasiert ist, dass die Haut permanent etwas gereizt und durchscheinend wirkt. Vielleicht sollte er auch das Rasierwasser wechseln, ein etwas milderes nehmen. Wenn er mir ganz nahe kommen muss, um das neue Gestell zu justieren, die Sehachse zu markieren und dergleichen, dann zieht er seine Maske hoch, bis sie zumindest mal Modell Laschet entspricht (vgl. hier). Das beruhigt mich nur ein bisschen, aber ich wollte nicht mehr länger auf die neue Brille warten. Wie fast alle Ladeninhaber hat er den Hinweis an der Tür stehen, man möge 1,5 Meter Abstand einhalten. Und wie fast alle Ladeninhaber schreibt er „1,5m“ falsch – nämlich ohne Leerstelle zwischen Zahl und Größe. Das gehört seit einigen Wochen zu den meist wiederholten Schreibfehlern, und zu den meist ignorierten. Vermutlich auch zu den meist unbedeutenden. Ich wollte es nur mal erwähnt haben – Sie sollen ja was lernen. Und immerhin bin ich immer noch Lektor.
Seit einer Woche haben die Friseure wieder offen. Alle natürlich auch mit Liste zum Eintragen, wie gesagt, wegen der Nachverfolgung. Das habe ich auch meinem Nachbarn gesagt, dem mit dem Känguru. Er beteuert unglaubhaft, er sei schon in Behandlung gewesen, habe sich aber nur die Spitzen schneiden lassen. Nach neun Wochen. Die Spitzen. Nun gut. Es gab eine Zeit, da haben wir uns erst nach neun Jahren die Spitzen etwas schneiden lassen. Die restlichen 1,5 Meter sind geblieben.
„Und? Hat es uns geschadet?“, frage ich meinen Nachbarn kumpelhaft.
„Kann man noch nicht sagen …“, sagt das Murmeltier.
„Nein“, ergänzt das Känguru. „Man weiß es noch nicht.“
„Die einen sagen so, die anderen so ...“, konkretisiert mein Nachbar.
Zeilen zur Krise XXXV: Körperkontakt
Zeilen zur Krise XXXVII: Undercut