Am nächsten Tag bin ich dann selbst zum Friseur gegangen. Juliane findet, dass inzwischen fast alle wieder manierlich aussehen, und bei dem fast hat sie mich so komisch angesehen. Mein Friseur will mir einen Undercut schmackhaft machen.
Eben sind eine Horde Jungs bei ihm rausgekommen: elf Undercuts zum Preis von zehn. Einer ist noch übrig – das Angebot gilt für zwölf Schnitte. Den könnte ich haben, sagt mein Friseur. Umsonst.
Ich merke dann doch, dass er sich über mich lustig macht – wenn ich einen Undercut kriege, dann bleibt nichts mehr übrig! Das heißt dann Glatze. Ich lehne also dankend ab.
Mein Friseur hat Humor. Ich im Grunde auch, aber wenn es um meine verbliebenen Haare geht, verstehe ich keinen Spaß. Beim letzten Mal hat er mir nach dem Schnitt, als ich noch entsetzt auf die Berge an grauen Haaren unter meinem Stuhl starrte, in einem Spiegel von hinten schräg oben das Ergebnis seiner Arbeit zur Begutachtung präsentiert, mit der Frage, ob das so in Ordnung sei.
„Nein!“, sagte ich. „Das ist absolut nicht in Ordnung!“ Denn ich hatte die Lichtung, die sich da auftat, bis dahin ziemlich erfolgreich verdrängt. Und heute gehen mir die Aussichten auf einen Maskensommer schon derart auf die Nerven, da kann ich keine weitere Krise brauchen. Ich wusste ja nicht, wie sehr mir das Lächeln der Leute fehlen würde. Sogar an der Metzgertheke. Ich weiß, dass die Fleischereifachverkäuferindort nie lächelt, aber ich denke mir, vielleicht lächelt sie ja jetzt gerade und ich sehe es nicht. Und das deprimiert mich.
Mein Friseur lächelt. Man sieht es bei ihm daran, dass die Ohren etwas nach hinten rutschen. Vielleicht dürfe er ja meinem kleinen Begleiter hier den Gratis-Undercut ins Fell fräsen? Ich habe das Murmeltier nicht gebeten, mich zum Friseur zu begleiten. Vielleicht hätte ich das tun sollen, denn es folgt meinen Bitten nur selten.
„Aber auf gar keinen Fall!“, sagt das Murmeltier heftig abwehrend. Es will ums Verrecken keinen Undercut. Es sei nur mitgekommen, um sich einen Berg Haare für seine Schlafkaule mitzunehmen.
Aber so einen netten Topfschnitt rundum? Schließlich hat es noch immer sein Winterfell, von dem es zwar büschelweise in der Wohnung verliert, das aber hörbar nach einer Schere schreit.
„Nein!“, schreit das Murmeltier. Und fügt trotzig und in Fettdruck hinzu:
„Undercut geht gar nicht. Ich! Habe! Segelohren!“, schlägt die Ladentür zu und wackelt beleidigt nach Hause.