Die Laubbläser geben wieder alles. Meines Wissens war das Laubblasen zwar auch in den Hochzeiten des Lockdowns nicht verboten, dennoch war es im April und Mai rund ums Haus deutlich ruhiger als gewohnt.
Vielleicht haben die Nachbarn gemerkt, wie viel weniger drei Blätter Laub nerven als das halbstarke Gedröhne einer täglichen Armee von Laubbläsern und Motorsensen. Die alte, wohlhabende Dame nebenan ließ aus Langeweile alle paar Tage eine Mannschaft anrücken. Jetzt geben sie wieder Gas, die Leute scheinen ihr Homeoffice in weiten Teilen wieder verlassen zu haben, im isolierten Büro ist Ruhe und zu Hause röhren die Facility Manager ums Haus und ziehen durchs Viertel wie die PS-Hengste über den Nürburgring – sie haben zwei Monate nachzuholen. Nicht dass sich die Laubberge inzwischen türmen würden und entsprechend Bedarf bestünde wie nach zwei Monaten ohne Friseur – aber das Lärmkonto ist deutlich im Minus, die Abgaswerte sind in den Keller gerauscht, auch der Rasen braucht längst mal wieder einen Undercut, einzelne Blätter werden mit 120 Dezibel eingeschüchtert.
Hat eigentlich mal jemand untersucht, ob sich das Coronavirus über diese Dreckschleudern nicht erst so richtig verbreitet? Einmal auf den Gehweg gehustet, wird das Zeug über die Laubbläser doch durchs ganze Viertel geschwenkt und hoch bis in den zweiten Stock. Da muss man doch einschreiten! Was ist denn so schlimm an einem Besen?
„Besen?“, sagt das Murmeltier. „Finde ich gut!“
Es hat in den letzten Tagen Harry Potter in meinem Regal gefunden und sich erstaunlich schnell durchgefressen. Durchgefressen im Sinne von Lesen – obwohl die Bücher hinterher tatsächlich sehr mitgenommen aussahen. Nicht alles hat ihm gefallen, oder sagen wir ruhig: geschmeckt. Es fand diese ganzen sprechenden Fabelwesen unterhaltsam, aber letztlich doch bescheuert. Das Murmeltier ist ein durch und durch rationales Wesen, es fällt ihm schwer, sich auf sprechende Hüte und dergleichen einzulassen. Aber der Besen von Harry, der hat es ihm angetan. Jetzt liegt es mir ständig in den Ohren, es will unbedingt einen Besen, und natürlich einen Nimbus 2000.
„Nur wenn du damit endlich wieder nach Hause fliegst!“, sage ich angefressen. Und der Blick, den es mir dann zuwirft, beunruhigt mich, denn er drückt großes Unverständnis, sogar etwas wie Verlassensangst aus.
„Wieso?“, fragt es dann auch gekränkt. „Ich bin doch zu Hause.“