Niemals hätte ich das tun sollen: mit der Bahn nach Berlin – und zwei Tage später abends mit der letzten Verbindung zurück. Nicht die letzte Verbindung nehmen, die kommt nie an. So was mag in Europa funktionieren, aber nicht in Deutschland. Wie oft schon musste ich Juliane in Köln mit dem Auto abholen, weil ihr Zug irgendwo liegengeblieben und der letzte Regioexpress von Köln schon weg war bzw. ausgefallen ist.
Das Murmeltier zersägt neben mir den Teutoburger Wald, während ich mit dem Schaffner diskutiere, ob der Hund nun auf dem Sitzplatz sitzen darf, ins Gepäcknetz muss, einen Maulkorb benötigt und ob er überhaupt mit darf. Und was das denn überhaupt für eine Hunderasse sei.
„Präriehund“, sage ich, „daher auch die Schneidezähne.“ Ich bin mir nicht sicher, ob Murmeltiere wie Hunde umsonst mitfahren, daher diese kleine Notlüge. Das Murmeltier fletscht die Zähne – das soll ein Lächeln werden, sieht aber bedrohlich und ungesund aus. Dann versucht es die Maskerade noch einmal mit Schwanzwedeln.
„Präriehund? Gibt es sowas überhaupt? – Egal. Aber die Maske sitzt nicht korrekt, achten Sie da bitte drauf“, sagt der Zugbegleiter zoologisch wenig versiert und schlappt davon.
„Präriehund finde ich gut“, sagt der Präriehund, zuppelt seine Maske zurecht und döst wieder ein. Auf der Maske steht Maulkorb, keine Ahnung, wo es die her hat.
In Köln dann zwei Stunden Verspätung. Der letzte Regiozug nach Unkel ist weg, Juliane muss uns abholen. Während wir in Düsseldorf eine halbe Stunde wegen einer Störung im Betriebsablauf standen, erläuterte mir der Zugbegleiter, mir stünde ggf. eine teilweise Erstattung meines Tickets zu. Dazu händigt er mir ein Fahrgastformular aus, in dem ich seitenweise Angaben machen möge, bitte in Blockschrift. Der recyclinggraue Umschlag dazu stammt aus den 90ern – die Bahn hat damals aus Rabattgründen etwas zu viele davon drucken lassen. Irgendwo findet sich sicher noch der Deutsche Bundesbahn-Schriftzug – und natürlich: Bitte freimachen.
„Was heißt das, Bitte freimachen‘“, fragt das Murmeltier wenig ausgeschlafen.
„Man muss da eine Briefmarke draufkleben“, antworte ich.
„Briefmarke? Was’n das?“
„Das sind so bunte Bildchen, die man dafür kaufen muss“, erkläre ich geduldig. „Früher musste man die hinten anlecken, damit sie kleben. Aber die modernen Briefmarken sind selbstklebend.“
Schön, dass es inzwischen selbstklebende Briefmarken zum Freimachen gibt, denke ich, denn das Anlecken war echt fies. Das Murmeltier schnarcht der Endstation in Köln entgegen.
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